Warum man aus Kunden Kollegen machen sollte.

Die Dialog-Systemiker

Den Spagat zwischen Fachkräftemangel und mehr Kundenzufriedenheit bewältigen – und wieso uns künstliche Intelligenz morgen nicht ersetzt, sondern stärker macht.

Wir leben in unruhigen Zeiten. In „Zeitenwenden“ wie einige sagen. Zumindest nehmen Tempo und Reichweite der Veränderungen zu. Wir werden zu alt, zu wenige und unsere Maschinen werden klüger als wir selbst. Außerdem müssen wir den Planeten retten und für Deutschland ein neues Geschäftsmodell finden – das alte scheint mit der Industrie irgendwie abhanden gekommen zu sein. So ist es doch fast unmöglich, ein Unternehmen in die Zukunft zu führen?

Wirklich? Ich glaube nicht!

Ich glaube, dass eine Dynamik entstanden ist, die fordert, dass wir uns entwickeln und wachsen. Jede Herausforderung birgt eine Chance – besonders in der Beziehung zu unseren Kunden, die wir stärker und nachhaltiger gestalten können, als je zuvor.

Schauen wir auf die vier wichtigsten Treiber im Bereich „Kunde und Markt“:

Veränderte Nutzererwartungen – und -fähigkeiten

1972 nahm die erste „Self-Service“-Tankstelle in Deutschland den Betrieb auf – zur Kostenersparnis und Gewinnmaximierung. Damals existierte „Kundenerlebnis“ noch nicht einmal als Begriff. Seither hat sich viel verändert.

Mit dem Siegeszug des Internets, sowie durch die Einführung des iPhones 2007 setzten Google, Apple, Facebook und Amazon (GAFA) neue Standards für digitale Kommunikation, die heute auch von Versorgungs- und Verwaltungsunternehmen erwartet werden. Der „Homo Digitalis“ ist nicht nur in der Lage, jederzeit und von überall seine Belange selbst zu regeln – er verlangt es. Unternehmen müssen diesem Wunsch nach „digitaler Unabhängigkeit“ nachkommen und ihre Angebote auf allen Kanälen bereitstellen, die ihre Kunden nutzen.

Hoher Innovationsdruck durch Technologie, Wettbewerb – oder (De-)Regulatorik

Produkte und Services haben eine immer kürzere Lebensdauer und müssen häufiger überarbeitet werden. Softwareunternehmen haben dies perfektioniert und liefern teilweise alle 14 Tage Updates.

Der Gesetzgeber dereguliert Märkte und definiert neue Spielregeln. Nachhaltigkeit und ESG erfordern oft Veränderungen in der Produktion und die aktive Mitwirkung der Kunden. In der Wohnungswirtschaft beispielsweise reicht keine Gebäudedämmung, um Klimaziele zu erreichen, wenn die Mieter ihr Verbrauchsverhalten nicht anpassen.

Gute Gründe, mehr als nur „ein Ohr“ am Kunden zu haben und ihn aktiv in die Ausgestaltung neuer Angebote einzubeziehen.

Fachkräftemangel: Service-Bienchen durch Piloten und Coaches ersetzen

Komplexere Produkte, sich ständig verändernde Angebote und anspruchsvollere Kunden erfordern schnelleren und besseren Service. Der steigende Druck auf Organisationen und Mitarbeiter ist enorm, und es ist absehbar, dass viele dieser Mitarbeiter in Zukunft fehlen und nicht einfach ersetzt werden können.

Wenn Serviceanliegen nicht mehr von eigenen „Service-Bienchen“ bearbeitet werden können, ist eine Reorganisation notwendig, bei der die verbleibenden Mitarbeiter neue Rollen übernehmen. „Hilfe zur Selbsthilfe“ und die intelligente Verzahnung mit Automatisierung und KI gewinnen an Bedeutung.

„KI verändert alles, wie nichts zuvor“ – bedeutet … was?

Ohne Zweifel steht KI technologisch erst am Anfang, bietet theoretisch ein gigantisches Potenzial und kommt mit der eben so vagen wie wuchtigen Prophezeihung daher, dass morgen nichts mehr sei wie heute.

Nüchterner betrachtet, handelt es sich zu allererst um ein weiteres Werkzeug. Es erweitert unsere Möglichkeiten, ersetzt aber nicht den Sinn unseres Tuns. Hinzu kommt, dass es gerade in der menschlichen Kommunikation, bei Entscheidungen und Bedürfnissen weniger rational zugeht, als wir es uns eingestehen.

Wir sollten uns in den nächsten 3-5 Jahren darauf konzentrieren, wie wir menschliche und künstliche Kompetenz im Unternehmen verzahnen, statt uns als überflüssig zu betrachten.

Die rasante Weiterentwicklung der Technologie ist so faszinierend, wie überwältigend – Kaufentscheidungen scheinen überholt, bevor das Produkt im Warenkorb liegt.

Mir hilft da , mich an die ersten Casio-Uhren in den 80igern auf unserem Schulhof zu erinnern: die Dinger waren wasserdicht, erst bis 10m, dann bis 50m, 100…200…. Wer die Uhr mit der größten Tauchtiefe hatte, war cool und König. Und niemand von uns tauchte je tiefer als die 4m im Schwimmbad – wenn überhaupt.

Also: was Technik kann, sollte nie wichtiger sein, als was man damit tun möchte – und man sollte starten, wenn die gebotenen Möglichkeiten „gut genug“ sind.

Fazit: Regeln ändern sich. Es geht darum, sie zu verstehen und nach Ihnen zu spielen

Die neuen Regeln bieten eine Chance, sich neu zu positionieren und zukunftssicher aufzustellen. Die Veränderungen auf Kunden- und Unternehmensseite eröffnen einen Raum, den es mit einem „New Deal“ in der Kundenbeziehung zu füllen gilt.

Der „New Deal“ in der digitalen Kundenbeziehung

Zwischen Kunde und Produkt, zwischen Erwartung und Möglichkeit öffnet sich ein Raum, der eine neue Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen verlangt; es braucht einen „New Deal“.

Wie also schaffen wir den Spagat zwischen Fachkräftemangel und gesteigerter Kundenzufriedenheit?

Zunächst: Die Chancen in der Veränderung sehen und anfangen! Es geht nicht darum, ein weiteres Projekt zu starten oder zu glauben, man würde eine Phase durchlaufen und zu einem neuen Status Quo gelangen.

Es ist eher wie im Sport: Man ändert seinen Lebensstil. Gestern war man noch Gelegenheits-Sportler, heute ist man ein Athlet, der regelmäßig trainiert. Genauso erfindet man sich als Organisation neu – und geht den „New Deal“ ein.

Dabei ist es entscheidend, Prozesse und Workflows neu zu definieren. Self-Service hilft, die Mitbestimmungs- und Autonomiewünsche der Kunden zu erfüllen. Tun wir das richtig, steigert es unmittelbar die Zufriedenheit und Loyalität. Unsere Prozesse müssen so gestaltet werden, dass sie von Laien – unseren Kunden – bedienbar sind. KI kann helfen, indem sie Teile übernimmt oder Unterstützung bietet. Kunden, die Aufgaben übernehmen, werden Teil unserer Service- und Wertschöpfungskette, sparen Kosten, mildern den Fachkräftemangel und werden zu einer eigenen Kategorie von „Kollegen“, denen man ein Mitspracherecht einräumen sollte – wie allen anderen Kollegen auch.

Was entsteht, ist ein Team aus Mensch und Maschine, aus Kunde, Mitarbeiter und KI – die moderne Interpretation von „Diversity“ in Zeiten von ChatGPT und Kundenfokus. Es geht darum, „D.AI.versity“ im Unternehmen zu realisieren.

Holen Sie sich Hilfe von außen

Es ist unwahrscheinlich, dass ein Unternehmen intern die notwendigen Kompetenzen und Kapazitäten hat, diesen Prozess allein zu bewältigen. Noch unwahrscheinlicher ist es, eine neutrale und externe Sicht auf das Unternehmen sicherzustellen.

Es hilft, einen externen, digitalen „Work-Out-Coach“ hinzuzuziehen, der dabei unterstützt, Kunden, Kollegen und KI zu einem „Winning Team“ zu verbinden. Er sorgt dafür, dass neue Gewohnheiten entstehen und geht von Bord, wenn das Team auch ohne ihn Tore schießt.

Was noch zum „New Deal“ und zum Thema „D.AI.versity“ interessant ist, beleuchte ich in den kommenden Artikeln – von der Einbindung aktiver Kunden im Gesamtprozess bis zu den Spielregeln für Mensch-Maschine-Teams.

Ich freue mich über Kommentare oder Nachfragen.

Herzliche Grüße

Thilo König