
Was Unternehmen hindert, Kosten zu sparen und Kunden zu binden.
Mehr Self-Service ist eine Notwendigkeit für Unternehmen. Mit ihm begegnet man dem Fachkräftemangel, er senkt Kosten und schafft auch für Kunden Mehrwert, die ohnehin längst nach digitalem Self-Service verlangen. Er steigert deren Zufriedenheit und Loyalität.
Kunden verlangen, was dem Unternehmen hilft. Ideal – und doch werden Potenziale selten ausgeschöpft, scheitern Vorhaben gänzlich.
Warum? Wie setzt man einen funktionierenden Self-Service auf – und woran scheitert es?
Top 1: falsches Grundverständnis und fehlerhafte Strategie
Viele Führungskräfte sehen in der stärkeren Einbindung der Kunden lediglich eine „Verlängerung der eigenen Werkbank“. Das greift zu kurz. Man verändert nichts, „klebt“ lediglich eine Benutzeroberfläche vor Bestandsprozesse und wundert sich, dass durch mangelnde Nutzung der Erfolg ausbleibt.
Der „Fix“: grundlegendes Re-Design der Prozesse und ggf. des Unternehmens.
Self-Service verändert in jedem Prozess Aufgaben und Rollen der Beteiligten. Und er verändert Abläufe – sei es, weil Teile zukünftig automatisiert von KI übernommen werden, sei es, weil Mitarbeiter morgen nicht mehr Probleme lösen, sondern Kunden dabei unterstützen, es selbst zu tun. Auch Inhalt und Präsentation einzelner Komponenten kann sich ändern. Ausgebildete Mitarbeiter können komplexe SAP-Abläufe bedienen. Der Kunde kann das nicht. Wie sieht also ein neuer Prozess aus, der sich von Laien nebenbei auf einem Smartphone bedienen lässt?
Das alles muss nicht schlagartig geschehen. Das darf sich entwickeln. Es muss nur klar sein, wohin die Reise geht.
Wird der Wandel von einem „Unternehmen mit Service-Abteilung“ zu einem „Self-Service-Unternehmen“ nicht bewusst gestaltet, zieht unausweichlich weitere Probleme nach sich:
Top 2: die falsche Verortung im Unternehmen
Heute in „KI-Zeiten“, wird Self-Service vor allem mit Automation und dem Einsatz moderner Technologien verbunden. Entsprechend häufig wird aus dem Thema ein „IT-Projekt“. Besser ist es, wenn die Service-Abteilungen im Lead sind, aber auch gefährlicher. In dem Maße, in dem sie bereit sind, ihren eigene Status Quo zu verändern, steigen oder sinken Erfolgschancen.
Der Fix: interdisziplinäre Teams inklusive der Kunden. In einem Self-Service-Unternehmen ist „Service“ kein Außenposten mehr, er wird zur zentralen Aufgabe des gesamten Unternehmens. Er kümmert sich nicht nur um „Havarie und Leistungsstörungen“, er definiert die komplette Kundenkommunikation. Der bildet „Marke“ und bestimmt, was und wer das Unternehmen am Markt ist.
Entsprechend gehört auch das Marketing an den Tisch und alle, zu deren Job die Ausgestaltung einer „Customer Journey“ gehört. Und selbstverständlich die Kunden selbst. Letztere in einer möglichst direkten Art und Weise. Statt den Kontakt zu meiden und anonyme Kundenbefragungen zwischen sich und seine Kunden zu schieben, trifft sich mit ihnen in Workshops.
Top 3: „operativer Wahnsinn“
Top 1 und Top 2 verlangen Mut und Konsequenz in ihrer Umsetzung. Es ist einfach, zu diesen Punkten zu nicken – und umso schwerer, sich wirklich konsequent mit ihrer Umsetzung zu befassen.
Es geht um Ängste, es geht um Gewohnheiten, um Rollen im Unternehmen und die vielen, menschlichen Aspekte, die uns verführen, letztendlich doch nur das Gleiche zu tun – und trotzdem andere Ergebnisse zu erwarten.
Der Fix: oft hilft zunächst eine neutrale, professionelle Außensicht. Heilsam ist auch eine stärkere Kunden- bzw. Nutzerzentrierung. So entsteht Vertrauen in neue Vorgehensweisen im Unternehmen, das zu neuen Prozessen, Rollen und Workflows führt.
Top 4: Angst vor Kontrollverlust und Misstrauen gegenüber dem Kunden
Wenig hat mich in den letzten Jahren so sehr erstaunt, wie die branchenübergreifende Kreativität, wenn es darum geht, mögliche Missbrauchsfälle von Angeboten und Systemen durch die eigenen Kunden zu ersinnen.
Umso bemerkenswerter, dass man heute und im Gegensatz dazu, deutlich weniger Probleme damit zu haben scheint, diverse zentrale Prozesse – die ja, wie wir gesehen haben markenbildend wirken – an irgendeine KI zu übergeben, als an seine eigenen Kunden.
Steckte bei Top 3 die persönliche Angst oder der Unwille dahinter, sich selbst verändern zu wollen oder müssen, ist hier die Befürchtung vor Kontrollverlust der Treiber.
Der Fix: eine echte, bi-direktionale Kooperationskultur. Die Verzahnung von Mitarbeitern, Kunden und KI zu einem neuen Gesamtsystem. Diese neue „Diversität“, die Verbindung zu Menschen und Maschine zur „D.AI.versity“ muss ausgehandelt und ausgestaltet werden.
Das geht nur im Dialog aller Beteiligter.
„Its not about talking at customers, you have to talk with and trust your customers. It´s about dialogue and sharing and conversation; it cannot be one-way traffic.“
(Brian Gillespie, Continuum)
Top 5: Power ersetzt niemals den Sinn
Der letzte Aspekt ist die Neigung, den Transformationserfolg vor allem mit Technologie und Rechenpower zu erklären. McKinsey liefert zu diesem Aspekt interessante Zahlen. Es ist zwar richtig, dass die Wahl der richtigen Technologie wesentlichen Einfluss auf das Gelingen von Transformationsprojekten hat. Es ist aber auch eine Tatsache, dass um die 70% dieser Projekte scheitern oder hinter den Erwartungen zurückbleiben – und das hat wiederum vor allem mit den Menschen im Prozess, ihren Befürchtungen und ihren Widerständen zu tun.
Der Fix: anfangen, iterativ vorgehen, lernen, nachsteuern und auf Sicht fliegen. Der technische Fortschritt hat ein Tempo erreicht, der Planungszeiträume über 3 Jahre hinaus absurd erscheinen lässt – zumindest, wenn man detailliert planen möchte.
Wie gelingt der Einstieg?
Es gibt viele Möglichkeiten, sich auf den Weg zu machen. Eine, mit der ich gute Erfahrungen gemacht habe, ist die Definition einer Grundstrategie, die Leitplanken, Spielregeln und Zielhorizonte definiert. Sie sollte detailliert genug sein, klare Handlungsräume aufzuzeigen und offen genug, neue Erkenntnisse einfließen zu lassen.
Von dort geht man schrittweise vor. Man sucht sich ausgewählte Aspekte, gekapselte Services, die man nach den neuen Regeln umgestaltet. An ihnen übt man die Kooperationskultur. Hier entsteht Vertrauen, dass nach und nach in die Organisation hineinstrahlt. Das müssen nicht unbedingt klassische „Havariefälle“ sein. Marketing, Vertrieb oder Produktentwicklung sind ebenfalls Kandidaten für solche Startpunkte.
Entscheidend ist, diese Kandidaten mit einer sauberen Analyse zu identifizieren und sich darüber klar zu werden, welche Potenziale sie bieten.
Wenn Sie Lust auf eine solche Analyse haben – oder nur auf eine erste Einschätzung Ihres aktuellen Status Quo, sprechen Sie mich gern an.